„Für die Fische“

Die NEUE SÜDTIROLER TAGESZEITUNG über die „Puschtra Buibm“ (2015)

Die Begnadigung der drei noch lebenden „Puschtra Buibm“ ist ein Ding der Unmöglichkeit, solange die ehemaligen Aktivisten nicht selbst einen Antrag stellen. Doch das wollen sie nicht.

Landeshauptmann Arno Kompatscher macht keinen Hehl daraus, dass er den Zeitpunkt des Vorstoßes für „sehr ungünstig“ hält. Und auch der SVP-Senator Karl Zeller sagt, es sei „politisch nicht opportun“, dem Staatspräsidenten zwei Tage nach dessen Angelobung gewissermaßen mit der Tür ins Haus zu fallen. Der Südtiroler Landtag hat am Mittwoch auf Antrag der Süd-Tiroler Freiheit und mit großer Mehrheit – 27 Ja-Stimmen – einen Begehrensantrag angenommen. Darin spricht sich der Südtiroler Landtag „für eine umgehende Begnadigung der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer“ aus. Es geht bekanntlich um die drei noch lebenden „Puschtra Buibm“ – und um Peter Kienesberger und Erhard Hartung. Einer der besten Kenner der Materie ist Karl Zeller. Als Anwalt hat er zahlreiche ehemalige Südtirol- Aktivisten in Sachen Begnadigung bzw. Vollstreckungsverjährung betreut und beraten.

Erst vor wenigen Jahren hat er die Vollstreckungsverjährung für Luis Larch und Adolf Obexer erwirkt. Vollstreckungsverjährung bedeutet: Wenn jemand 30 Jahre nach der rechtskräftigen Verurteilung die Haftstrafe noch nicht angetreten hat, dann verjährt die Haftstrafe. Im Fall der „Puschtra Buibm“, Peter Kienesberger und Erhard Hartung ist die Situation anders, da die fünf Männer zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. Karl Zeller hält den am Mittwoch im Landtag beschlossenen Begehrensantrag für „überflüssig wie ein Kropf“. Zeller wirft der Opposition Eigennutz vor: „Es geht der Süd-Tiroler Freiheit nicht um die Sache, sondern nur darum, den Antrag aus populistischen Gründen zu stellen, um dann über den bösen Staat maulen zu können“, so der SVP-Senator. Zielführender, meint Zeller, wäre es gewesen, hinter den Kulissen auf eine Begnadigung hinzuarbeiten. „Doch dazu“, so verrät Zeller, „es fehlt die Bereitschaft der Betroffenen.“ Der Stein des Anstoßes: Bislang haben sich weder die „Puschtra Buibm“, noch Peter Kienesberger oder Erhard Hartung bereiterklärt, einen grundlegenden Schritt zu setzen. Der wäre: Sie müssten einen formellen Antrag auf Begnadigung stellen.

Dazu waren die Betroffenen bislang nicht bereit, weil – so das Argument – ein derartiger Antrag als Schuldeingeständnis interpretiert würde. „Solange sie diesen Antrag nicht unterschreiben“, glaubt Karl Zeller, „sind alle Bestrebungen für die Fische.“ Andere SVP-Vertreter sagen hinter vorgehaltener Hand: „Die ,Puschtra Buibm’ wollen ihren Märtyrer-Status aufrecht erhalten.“ Karl Zeller geht in jedem Fall davon aus, dass die „Puschtra Buibm“ längst begnadigt worden wären, wenn sie den Antrag gestellt hätten. „Ohne Antrag wird die Begnadigung nicht möglich sein“, befürchtet der SVP-Senator. Anders stellt sich die Situation von Peter Kienesberger und – mit Abstrichen – Erhard Hartung dar. Diese beiden Südtirol-Aktivisten standen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder im Fokus der italienischen Geheimdienste und der Bozner Staatsanwaltschaft – mal als angebliche Unterstützer der Terrorgruppe „Ein Tirol“ in den 1980er-Jahren, völlig zu Unrecht. Zuletzt waren Kienesberger und Hartung als Exponenten der Laurin- Stiftung in die Schlagzeilen und ins Visier des italienischen Staatsschutzes geraten. Experten schätzen die Chancen Kienesbergers und Hartungs auf eine Begnadigung auf Null ein.


„Kann nicht niederknien“

Der „Puschtra Bui“ Siegfried Steger erklärt, warum er keinen Antrag auf Begnadigung stellen wird.

Tageszeitung: Herr Steger, werden Sie und Ihre Mitstreiter von damals einen Antrag auf Begnadigung stellen?

Siegfried Steger: Ich kann nur für mich persönlich sprechen. Ich habe immer gesagt: Die Bettelei nützt nichts.

Sie werden also keinen Antrag stellen?

Ich habe meine Gedanken in meinem Buch niedergeschrieben.

Darin schreiben Sie: „Ich kann mir, wenn ich realistisch bin, wohl auch keine Begnadigung mehr erhoffen, selbst wenn es ein Herzenswunsch wäre, noch mal mein Tal, mein Dorf betreten, meine Geschwister und Leute grüßen und aufs Grab meiner Eltern gehen zu dürfen …“

Ja, ich möchte gerne noch einmal die Luft meiner Heimat einatmen und die Augen schließen.

Siegfried Steger

Lässt Sie der Stolz nicht, den Antrag zu unterschreiben?

Schauen Sie: Ich leide darunter, dass ich nicht heim darf, aber ich werfe es dem italienischen Staat nicht vor. Aber ich kann nicht um meine Begnadigung feilschen …

… weil ein Antrag ein Schuldeingeständnis wäre?

Auch! Es würde heißen, wir hätten etwas falsch gemacht. Das haben wir aber nicht. Ich war Soldat für die Freiheit der Heimat. Durch unsere Aktionen ist Südtirol freier geworden. Mit einer Lüge erkaufe ich mir die Heimkehr nicht. Ich kann nicht niederknien und um Verzeihung bitten.

Dann wird es zu keiner Begnadigung kommen …

Italien könnte ohne Wenn und Aber eine Generalamnestie erlassen. Aber wie gesagt: Die Bettelei nützt eh nichts.

Die Puschtra Buibm

edition AROB

In diesem Buch schildert Siegfried Steger den Kampf der „Puschtra Buibm“ gegen den Staat Italien, schonungslos und ohne Beschönigung, eine atemberaubende Geschichte, die sich wie ein Roman liest, aber Wirklichkeit ist: von 1961 bis 1967 hält die Kampfgruppe ihren Guerillakampf durch, kann sich trotz Rasterfahndungen und militärischem Großaufgebot immer wieder der Verhaftung entziehen, versteckt sich über Wochen in Erd- und Felsbunkern, schlägt wieder zu und flieht zurück über die Berge.
Mit einem Vorwort von Hans Karl Peterlini.

ISBN 978-88-88396-16-3
274 Seiten
Preis Italien: Euro 26,90
Preis Ausland (D-A-CH): Euro 27,90

„Für die Fische“

Die NEUE SÜDTIROLER TAGESZEITUNG über die „Puschtra Buibm“ (2015)

Die Begnadigung der drei noch lebenden „Puschtra Buibm“ ist ein Ding der Unmöglichkeit, solange die ehemaligen Aktivisten nicht selbst einen Antrag stellen. Doch das wollen sie nicht.

Landeshauptmann Arno Kompatscher macht keinen Hehl daraus, dass er den Zeitpunkt des Vorstoßes für „sehr ungünstig“ hält. Und auch der SVP-Senator Karl Zeller sagt, es sei „politisch nicht opportun“, dem Staatspräsidenten zwei Tage nach dessen Angelobung gewissermaßen mit der Tür ins Haus zu fallen. Der Südtiroler Landtag hat am Mittwoch auf Antrag der Süd-Tiroler Freiheit und mit großer Mehrheit – 27 Ja-Stimmen – einen Begehrensantrag angenommen. Darin spricht sich der Südtiroler Landtag „für eine umgehende Begnadigung der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer“ aus. Es geht bekanntlich um die drei noch lebenden „Puschtra Buibm“ – und um Peter Kienesberger und Erhard Hartung. Einer der besten Kenner der Materie ist Karl Zeller. Als Anwalt hat er zahlreiche ehemalige Südtirol- Aktivisten in Sachen Begnadigung bzw. Vollstreckungsverjährung betreut und beraten.

Erst vor wenigen Jahren hat er die Vollstreckungsverjährung für Luis Larch und Adolf Obexer erwirkt. Vollstreckungsverjährung bedeutet: Wenn jemand 30 Jahre nach der rechtskräftigen Verurteilung die Haftstrafe noch nicht angetreten hat, dann verjährt die Haftstrafe. Im Fall der „Puschtra Buibm“, Peter Kienesberger und Erhard Hartung ist die Situation anders, da die fünf Männer zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. Karl Zeller hält den am Mittwoch im Landtag beschlossenen Begehrensantrag für „überflüssig wie ein Kropf“. Zeller wirft der Opposition Eigennutz vor: „Es geht der Süd-Tiroler Freiheit nicht um die Sache, sondern nur darum, den Antrag aus populistischen Gründen zu stellen, um dann über den bösen Staat maulen zu können“, so der SVP-Senator. Zielführender, meint Zeller, wäre es gewesen, hinter den Kulissen auf eine Begnadigung hinzuarbeiten. „Doch dazu“, so verrät Zeller, „es fehlt die Bereitschaft der Betroffenen.“ Der Stein des Anstoßes: Bislang haben sich weder die „Puschtra Buibm“, noch Peter Kienesberger oder Erhard Hartung bereiterklärt, einen grundlegenden Schritt zu setzen. Der wäre: Sie müssten einen formellen Antrag auf Begnadigung stellen.

Dazu waren die Betroffenen bislang nicht bereit, weil – so das Argument – ein derartiger Antrag als Schuldeingeständnis interpretiert würde. „Solange sie diesen Antrag nicht unterschreiben“, glaubt Karl Zeller, „sind alle Bestrebungen für die Fische.“ Andere SVP-Vertreter sagen hinter vorgehaltener Hand: „Die ,Puschtra Buibm’ wollen ihren Märtyrer-Status aufrecht erhalten.“ Karl Zeller geht in jedem Fall davon aus, dass die „Puschtra Buibm“ längst begnadigt worden wären, wenn sie den Antrag gestellt hätten. „Ohne Antrag wird die Begnadigung nicht möglich sein“, befürchtet der SVP-Senator. Anders stellt sich die Situation von Peter Kienesberger und – mit Abstrichen – Erhard Hartung dar. Diese beiden Südtirol-Aktivisten standen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder im Fokus der italienischen Geheimdienste und der Bozner Staatsanwaltschaft – mal als angebliche Unterstützer der Terrorgruppe „Ein Tirol“ in den 1980er-Jahren, völlig zu Unrecht. Zuletzt waren Kienesberger und Hartung als Exponenten der Laurin- Stiftung in die Schlagzeilen und ins Visier des italienischen Staatsschutzes geraten. Experten schätzen die Chancen Kienesbergers und Hartungs auf eine Begnadigung auf Null ein.


„Kann nicht niederknien“

Der „Puschtra Bui“ Siegfried Steger erklärt, warum er keinen Antrag auf Begnadigung stellen wird.

Tageszeitung: Herr Steger, werden Sie und Ihre Mitstreiter von damals einen Antrag auf Begnadigung stellen?

Siegfried Steger: Ich kann nur für mich persönlich sprechen. Ich habe immer gesagt: Die Bettelei nützt nichts.

Sie werden also keinen Antrag stellen?

Ich habe meine Gedanken in meinem Buch niedergeschrieben.

Darin schreiben Sie: „Ich kann mir, wenn ich realistisch bin, wohl auch keine Begnadigung mehr erhoffen, selbst wenn es ein Herzenswunsch wäre, noch mal mein Tal, mein Dorf betreten, meine Geschwister und Leute grüßen und aufs Grab meiner Eltern gehen zu dürfen …“

Ja, ich möchte gerne noch einmal die Luft meiner Heimat einatmen und die Augen schließen.

Siegfried Steger

Lässt Sie der Stolz nicht, den Antrag zu unterschreiben?

Schauen Sie: Ich leide darunter, dass ich nicht heim darf, aber ich werfe es dem italienischen Staat nicht vor. Aber ich kann nicht um meine Begnadigung feilschen …

… weil ein Antrag ein Schuldeingeständnis wäre?

Auch! Es würde heißen, wir hätten etwas falsch gemacht. Das haben wir aber nicht. Ich war Soldat für die Freiheit der Heimat. Durch unsere Aktionen ist Südtirol freier geworden. Mit einer Lüge erkaufe ich mir die Heimkehr nicht. Ich kann nicht niederknien und um Verzeihung bitten.

Dann wird es zu keiner Begnadigung kommen …

Italien könnte ohne Wenn und Aber eine Generalamnestie erlassen. Aber wie gesagt: Die Bettelei nützt eh nichts.

Die Puschtra Buibm

edition AROB

In diesem Buch schildert Siegfried Steger den Kampf der „Puschtra Buibm“ gegen den Staat Italien, schonungslos und ohne Beschönigung, eine atemberaubende Geschichte, die sich wie ein Roman liest, aber Wirklichkeit ist: von 1961 bis 1967 hält die Kampfgruppe ihren Guerillakampf durch, kann sich trotz Rasterfahndungen und militärischem Großaufgebot immer wieder der Verhaftung entziehen, versteckt sich über Wochen in Erd- und Felsbunkern, schlägt wieder zu und flieht zurück über die Berge.
Mit einem Vorwort von Hans Karl Peterlini.

ISBN 978-88-88396-16-3
274 Seiten
Preis Italien: Euro 26,90
Preis Ausland (D-A-CH): Euro 27,90

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